20. Mai 2018 - 30. August 2018
Ausgelöst durch die Faszination der Farben- und Formenvielfalt fotografiere ich seit 2015 den täglich anfallenden Bioabfall, welchen wir beim Zubereiten der Speisen in einer Email-Schale sammeln bevor er auf dem Kompost landet.
Nie zuvor hat mich eine Arbeit derart mit meinem täglichen Verhalten konfrontiert. Der so abgebildete Alltag spiegelte schonungslos unser Verhalten. Auch wenn Kartoffelschalen, Aprikosensteine und Kaffeesatz nicht zur Vergeudung von Nahrungsmitteln zählen, lagen doch immer wieder altes Brot, schimmliges Obst oder verdorbene Speisereste in der Schale. Dieses, durch das genaue Hinschauen, erzeugte Bewusstsein, nahm Einfluss. Phantasievollere Rezepte sorgen für einen anderen Umgang mit Resten, häufigeres Einkaufen von kleineren Portionen lässt diese nicht vor dem Verzehr verderben.
Dennoch führte dieses fotografische Tagebuch in seinen Anfängen zum Wunsch, den wasted food zu verschleiern. In der Folge bearbeitete ich die Fotografien am Computer zu unscharfen Farbauszügen, die sich in rasantem Kreis zu drehen scheinen. Obschon die Absicht der Verschleierung inzwischen ihre Bedeutung verloren hat, ist die Abstraktion ein bedeutender Bestandteil der Arbeit geworden. Anlässlich der Ausstellung ist ein Buch unter dem Titel Kompost Tagebuch mit Texten von Beate Rothmaier und Heribert Kuhn erschienen, welches 90 solcher Bildpaare zeigt.
52 Bilder, (für jede Woche des Jahres ein Bild) gerahmt in (Kuchen-) Springformen unterschiedlicher Größe und Farbgebung, wurden auf dem Sandsteinboden der Galerie zu verschiedenen Kompositionen geordnet.
Das Nachdenken über mein Essverhalten brachte mich unweigerlich zur Reflexion meines Fleischkonsums. So entschloss ich mich die Böden der Springformen (welche inzwischen ihrer Funktion beraubt waren) als Malgrund zu verwenden und versah jeden Teller mit einem „hunk of meet“. Darauf ließ ich meinen Gedanken freien Lauf. So verdichteten sich die Zeichnungen Schicht um Schicht.
Um das Problem der Aufhängung der Metallteller zu umgehen und den Installationscharakter des Kompost Tagebuches zu erweitern, ließ ich drei Holzplatten zimmern auf welchen die Zeichnungen magnetisch befestigt wurden.
Nicht nur aus Freude an der Farben- und Formenvielfalt von Küchenabfällen, sondern auch im Wissen um die Nähe der Galerie zu Dresden, der dort verbreiteten Angst vor Fremden und ihren Auswüchsen, entstand ein weiterer Teil der Installation. Im Februar begann ich mit dem schichtweisen Füllen von 25 Einmachgläsern, wodurch der Kompost fast gänzlich in seiner
Ursprünglichkeit erhalten blieb. Jedes Glas wurde in einer anderen Sprache mit dem Wort Kompost beschriftet und auf ein himbeerrotes Regal gestellt. In Island heißt, worum die ganze Ausstellung kreist, Rotmassa. Vielfältigkeit ist schön.
© Christine Hunold 2018